Samstag, 25. November 2017

Meine Mutter

Grabrede

Sehr geehrter Herr Pastor Reimann?, Lieber Martin, liebe Marina, lieber Michael, liebe Trauergemeinde.
Am Montag den 07.Oktober 2019  gegen 19 Uhr hat meine Mutti ihren letzten Atemzug getan.

Wir haben uns hier versammelt, um sich von meiner Mutti ein letztes Mal zu verabschieden.
Zu verabschieden von den Lebenden. Denn nun hat sie ihr Lebenswerk vollbracht. Ich bin fest davon überzeugt, dass jeder Mensch eine Aufgabe erfüllt und damit das Uhrwerk der Welt ein kleines bisschen weiter ticken lässt.
Auch wenn mir der Tod meiner Mutter sehr weh tut, aber eines ist sicher, der Tod gehört zum Leben mit dazu. Er ist ein Teil unseres Lebens. Wir brauchen nicht wirklich zu trauern.

Damit diese Welt nicht unter geht, muss diese Welt mit Mitmenschlichkeit und Nächstenliebe geschmiert werden.
Man kann sein Lebenswerk als Egoist oder als den Nächsten liebenden Menschen vollbringen. Sie hat sich für die Nächstenliebe entschieden. Nächstenliebe war ihr nicht nur aus christlicher, sondern auch aus innerer Überzeugung heraus wichtig.
Diese beiden Zitate haben ihr Leben bestimmt:
Einmal von Immanuel Kant: Kritik der praktischen Vernunft - Kapitel 34
Zwei Dinge erfüllen das Gemüt mit immer neuer und zunehmender Bewunderung und Ehrfurcht, je öfter und anhaltender sich das Nachdenken damit beschäftigt: Der bestirnte Himmel über mir, und das moralische Gesetz in mir. 
Im 1. Brief des Johannes Kapitel 2, Absatz 1-6 steht: An ihren Taten sollt ihr sie erkennen!
Sie war eine gute Christin, ohne sich besondere Gedanken über Gott und Kirche zu machen! Sie hat die christliche Moral einfach nur gelebt!
Meine Mutti hat immer erst an Ihre Nächsten gedacht. Natürlich an ihren Mann, unseren Vater. Unseren Vaters Lebensinhalt war seine Frau. Unseren Mutters Lebensinhalt war ihr Mann. Es war beidseitig. Unsere Eltern haben eine Ehe geführt, die Vorbild für mich war. Ich kann mich nicht erinnern, dass sie sich jemals gestritten hätten. Ich kann mich nur daran erinnern, dass jeder unentwegt immer nur darüber nachgedacht hat, was er Gutes für seinen Partner tun kann.
Ihr beherrschendes Streben war das Verantwortungsbewusstsein und die Fürsorge für Ihre Kinder und auch für alle anderen Nächsten.

Typisch für sie war ihre Korrektheit. Im Beruf und im Privaten musste immer alles sehr genau und vollständig abgeheftet werden. Es war ihr ein Grauen, wenn sie nicht den vollständigen Überblick über ihre schriftlichen Unterlagen hatte. Das ließ sie nicht los, als sie auch schon kaum mehr etwas erkennen konnte.
Ich erinnere mich noch gut, dass sie auch ein Vorbild war, indem sie alle Fragen, die wir hatten, sofort beantworten konnte oder anderenfalls in Büchern nachgelesen hatte. Sie hat viel in Büchern nachgelesen. Das war etwas, was sie uns mitgegeben hat, ohne es bewusst zu merken. Ihr Interesse galt u. A. der ostpreußischen Geschichte und den Baustilen. Sie hatte drei Mal Ihre Heimat Ostpreußen besucht, teils ohne Reiseführung und dort, trotz des grausamen Krieges, viele den Deutschen freundlich gesonnene und hilfsbereite Menschen vorgefunden. Überhaupt ist sie Fremden vorurteilsfrei entgegen gekommen.

Auch erinnere ich mich noch gut, dass sie mir stundenlang bei den verhassten Aufsätzen geholfen hat, den besten Stil, die treffendsten Worte zu finden. Es hat mir später nicht nur sehr geholfen, Schreiben hat mir Spaß gemacht. In späteren Jahren darauf angesprochen, konnte sie sich nicht mehr daran erinnern. Es war selbstverständlich für sie gewesen. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass sie uns bewusst erzogen hätten. Sie haben einfach nur durch Vormachen, durch Vorbild erzogen. Ich bin meinen Eltern ja so dankbar für die glückliche Kindheit die Martin und ich erlebt haben. Man kann es kaum mit Worten beschreiben. Als Erwachsener habe ich dann irgendwann mitbekommen, dass eine derart glückliche Kindheit nicht so selbstverständlich ist, wie ich es damals empfunden hatte.

Eine der bemerkenswerten Eigenschaften war ihre Zähigkeit. Solange sie irgenwie konnte, ist sie jede Strecke zu Fuß oder mit Rollatorunterstützung gegangen. Sie hat sich nie gehen gelassen. Ich bin überzeugt, dass das auch der Grund für ihr erreichtes hohes Alter ist.

Um es mit einem Satz zusammenzufassen: Sie ist eine bewundernswerte Frau gewesen, der wir unendlich dankbar sind für all die Zuwendung die Sie Ihren Mitmenschen hat zukommen lassen.

Sie hat jetzt ihre Lebensaufgabe, ihr Lebenswerk reichlich übererfüllt. Jetzt darf sie nach 99 Jahren zufrieden für immer von uns gehen.

Ich danke für Eure Aufmerksamkeit.
Amen.

trauerredner-lueneburg.von-kienitz.de

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