Freitag, 24. Juli 2020

Humboldtsche Bildungsideale sind in der Digitalisierung immer noch aktuell


In allen Medien wird ununterbrochen nach der Digitalisierung gefragt, die bei uns in Deutschland zurück hinkt. Gewiss die Vernetzung über mobiles Netz und drahtgebundenes Netz ist eine unbedingt notwendige Infrastrukturmaßnahme. Eigentlich sollte die mobile Erreichbarkeit und das fest verdrahtete Internet zu den gesetzlich vorgeschriebenen Erschließungsaufwendungen gehören, wie Strom, Wasser und Abwasser. Leider wird diese Forderung noch nicht einmal diskutiert. Das digitale Netz darf nicht vor der letzten Milchkanne aufhören. Dieser Ausspruch von Frau Karliczek zeigt, dass die Wichtigkeit der Vernetzung immer noch nicht in der Politik angekommen ist, obwohl ständig schöne Sonntagsreden gehalten werden und vereinzeltes hilfloses Stückwerk veanstaltet wird.

Trotz dieser unvollständigen und mangelhaften Vernetzung sind die Möglichkeiten des Ist-Zustandes noch lange nicht ausgeschöpft. Das Problem ist nicht die Technik, sondern der Mensch.
Es gibt so vieles, was man kostenlos oder fast kostenlos realisieren könnte.:

Digitale Zertifikate

Die Bundesregierung hat zwar möglich gemacht, dass der Personalausweis zum digitalen Unterschreiben geeignet ist, aber fast niemand nutzt es, weil:
  1. zusätzliche Lesegeräte erforderlich sind
  2. der Bund Geld habe will
  3. nur eine Hand voll Firmen und Behörden darauf eingestellt sind.
Die Vorteile wären:
  1. Jederman wäre in der Lage, unzertifizierte E-Mails auszusortieren oder zu blockieren.
  2. Betrügereien über Internet wären fast unmöglich, weil kein Betrüger anonym agieren könnte.
  3. Briefpost wäre überflüssig.
  4. Schriftform wäre überflüssig. (Jetzt schon gesetzlich geregelt)
  5. Behördengänge weitgehend überfüssig.
Was getan werden müsste:
  1. Jederman muss zusammen mit seinem Personalausweis ein digitales Zertifikat erhalten.
  2. Damit das nicht eine reine Willkürmaßnahme wird, müssen zuerst alle Firmen und Behörden gezwungen werden, diese dig. Zertifikate lesen und akzeptieren zu können.
  3. Alle Behörden müssten mit einer bundeseinheitlichen Software ausgerüstet werden, damit alle Behördenvorgänge digital abgewickelt werden können. Der jetzige Flickenteppich muss aufgetrennt werden. In der Privatwirtschaft funktioniert das ja auch.

HomeOffice ermöglichen

(Den Begriff HomeOffice gibt es im Englischen nicht, sondern die Engländer sagen dazu: "Work at Home".) Die Forderung nach HomeOffice für alle ist unsinnig, weil HomeOffice voraussetzt, dass es keine Aktenordner beim Arbeitgeber mehr gibt und das alle Vorgänge digital abgebildet sind. In der Privatwirtschaft schon häufig realisiert, in den Behörden nur ausnahmsweise. HomeOffice ist auch mit den zur Zeit begrenzten Bandbreiten durchaus möglich.

Die Vorteile wären:
  1. Massive Kostenersparniss, wenn Dokumente nur noch digital, statt als Papier in Aktenordnern gespeichert werden.
  2. Alle Dokumente sind unternehmensweit gleichzeitig verfügbar, statt jewels nur einer einzigen Person.
  3. Der Arbeitsablauf beschleunigt sich, weil nicht mehr nach Akten gesucht werden muss.
  4. Keine Umweltbelastung durch die Fahrt zum Arbeitsplatz
  5. Mehr Freizeit für den Arbeitnehmer, weil die Fahrzeit entfällt.
Die Nachteile wären:
  1. Der Arbeitgeber kann seine Mitarbeiter nicht mehr so gut kontrollieren.
  2. Der persönliche Kontakt zum Kollegen fehlt.
  3. Zu Hause sind nicht immer geeignete Räumlichkeiten vorhanden.
  4. Kinder und Familie lenkt ab.
Die Lösung für die letzten drei Punkte sind wohnortnahe Büroräume (coworking area), die man zu Fuß oder mit dem Fahrrad erreichen könnte. Dort könnten Angestellte verschiedener Arbeitgeber in einem Gebäude arbeiten.

Vorbereitung für die digitale Welt muss schon in der Schule beginnen.

Damit meine ich nicht, dass Schüler mit Laptap's und Schulen mit WLAN ausgerüstet werden. Das sollte eigentlich selbstverständlich sein, das ist nur ein Baustein von vielen. Fernunterricht ist bei Erwachsenen schon ein langjährige bewährte Praxis. Bei Schülern wurde durch die Coronakrise das zwangsläufig praktiziert. Lehrer berichteten mir, dass der Großteil der Schüler sich richtig ins Zeug gelegt haben, ein kleinerer Teil sich aber verweigert haben.
Fernunterricht, egal ob für Schüler oder für Erwachsene hat aber nichts mit einer Vorbereitung für die digitale Welt zu tun. Diese Vorbereitung könnte im Extremfall auch fast ganz ohne Technik stattfinden.
Entscheidend ist die sogenannte Medienkompetenz, also die Fähigkeit Medien immer wieder kritisch zu hinterfragen und einem weltanschauungsfreien Faktencheck zu unterziehen. Da darf auch vor Lehrinhalten kein Halt gemacht werden. Das Büffeln bis zur nächsten Klausur und dann schnellstens vergessen gibt keinen Sinn mehr. Das Humboldtsche Bildungsideal vom allseitig gebildeten Menschen muss wieder auferstehen. Bildung darf nicht verstanden werden als auswendig gelentes, nicht anwendungsbezogenes Aufzählungswissen. Nein, es muss ein Wissen sein, für das sich der junge Mensch brennend interessiert und das er lernt, nicht weil ein Notendruck dahinter steht, sondern die eigene Wissbegierde, wie es Kindern von klein auf an angeboren ist.

Diese Wissbegierde gilt es anzufeuern. Da ist der Lehrer nicht mehr der allein Wissende, sondern ein Kumpel, der selber noch in einem Kollektiv von Wissbegierigen immer weiter dazu lernt. Gut, ich gebe zu, ein schöner Traum, weil die Lehrerschaft müsste dann ein komplett anderes Selbstverständnis entwickeln. Die Kultusministerien verlieren ihre Allmacht. Auch Humboldt ist gescheitert.

Der bildungsbeflissene, wissbegierige, das Selbststudium gewöhnte Bürger braucht keine weitere digitale Bildung, das ist im Gegensatz zum schmalspurigen Nerd so selbstverständlich wie das ein- und ausatmen. Würde Humboldt noch leben, hätte er mir zugestimmt.